"Pathologisches Horten"
von Anne Katrin Külz und Ulrich Voderholzer
Hogrefe Verlag, 2018, aus der Reihe Fortschritte der Psychotherapie Band 69 ISBN: 978-3-8017-2785-7
Das Buch richtet sich vornehmlich an Fachpersonen aus der Psychotherapie, die praktisch mit Betroffenen arbeiten. Die Sprache ist aber verständlich, auch wird immer wieder mit Fallbeispielen aufgelockert, so dass auch geübte Fachbuchleser und –leserinnen etwas von der Lektüre des Buches haben.
Das erste Kapitel beschreibt die Störung des pathologischen Hortens. Sie wurde 2013 als eigenständige Kategorie im DSM-5 aufgenommen. Definition, Kriterien zur Diagnose und die Abgrenzungen zu anderen Störungen wie z.B. Zwangsstörungen und dem eigentlichen Sammeln werden beschrieben, und auf die Bedeutung von Gegenständen eingegangen.
Weitere Erkrankungen die häufig zusammen mit dem pathologischen Horten auftreten, werden erwähnt, z.B. Angststörungen, zwanghaftes Kaufen, ADHS.
Ein Abschnitt befasst sich mit Kindern und Jugendlichen, die bereits Anzeichen von pathologischem Horten zeigen können.
Das zweite, kurze Kapitel befasst sich mit Störungsmodellen. Es favorisiert das kognitiv-behaviorale Modell. Dieses dient als Grundlage für ein individuelles Modell. Die betroffene Person erarbeitet in der Therapie z.B. prägende Ereignisse und Bezugspersonen. Die Probleme der Informationsverarbeitung werden identifiziert. Die Bedeutung von Besitztümern wird besprochen, damit einhergehend die emotionalen Reaktionen im Zusammenhang mit Besitz und die positiven wie negativen Verstärker durch Horten.
Im ebenfalls kurzen dritten Kapitel geht es um Diagnostik und Indikation. Die Kriterien für das pathologische Horten im DSM-5 werden ausgeführt. Diagnostische Verfahren werden vorgestellt, der Fragebogen zum zwanghaften Horten (FZH, nach Müller et al. 2009). Das halbstrukturierte Kurzinterview (HRS, Tolin, Frost & Steketee, 2010) gibt einen kurzen Überblick über die Situation eines Betroffenen. Die Bilderfolge Clutter Image Rating Scale mit 9 Fotos aus einem Schlafzimmer dient zur Einschätzung der Lage. Weitere Verfahren werden kurz vorgestellt.
Die Hälfte des Buches befasst sich mit der Behandlung von pathologischem Horten (Kap. 4). Die Autoren orientieren sich am Behandlungskonzept von Steketee und Frost (2014). Nach diesem Konzept finden im Laufe von sechs Monaten zwischen 15 und 30 Sitzungen statt.
Vier Hauptproblembereiche werden bearbeitet: Probleme bei der Informationsverarbeitung, exzessive emotionale Bindung an Besitztümer, ungünstige Überzeugungen bzgl. des Aufbewahrens und Vermeidungsstrategien bzgl. des Wegwerfens.
Zu jedem dieser Bereiche werden Behandlungsstrategien erarbeitet.
Der Ablauf der Therapie gestaltet sich folgendermassen:
In der Anfangsphase, die drei bis fünf Sitzungen umfasst, wird die Diagnose erstellt, die Behandlung geplant, die Motivation erfragt, evtl. mit Angehörigen Kontakt aufgenommen und mindestens ein Hausbesuch vorgenommen.
Die Interventionsphase dauert rund zwanzig Sitzungen. In dieser Zeit werden dysfunktionale Überzeugungen identifiziert und angepasst, Organisations- und Planungsfertigkeiten trainiert und das Wegwerfen von Gegenständen geübt. Ausserdem werden Widerstandsübungen z.B. in einem Laden durchgeführt. Die Gegenstände zu Hause werden geordnet und kategorisiert.
In der letzten Phase, dem Abschluss, wird der Therapieerfolg während zwei bis drei Stunden erhoben und die Rückfallprophylaxe bearbeitet.
Diese drei Phasen werden im Buch genauer beschrieben und mit Beispielen aus der Praxis angereichert. Auch Schwierigkeiten bei der Durchführung werden genannt, so z.B. Antriebsmangel, Depression, Scham, Belastungen durch Angehörige und Ambivalenz der betroffenen Person.
Der Hausbesuch wird ausführlich besprochen. Steketee und Frost empfehlen bei jeder vierten Therapiesitzung einen Hausbesuch. Külz und Voderholzer berichten, dass dies erfahrungsgemäss nicht immer möglich ist. Sie schlagen deshalb eine diagnostische Sitzung in der Wohnung des Patienten am Anfang und am Ende der Therapie vor.
Schwierigkeiten, die im Laufe der Therapie auftauchen könnten, werden mit Fallbeispielen veranschaulicht, z.B. Ablenkbarkeit, Problemlöseschwierigkeiten, Schwierigkeiten biem Kategorisieren von Dingen.
Der Erfolg dieses Therapieansatzes lässt sich noch nicht sicher beurteilen, weil die Stichproben der Studien meist recht klein sind. Die Befragten stufen die Verbesserung durch die Therapie im Anschluss auf 81%, nach einem Jahr noch auf 62%, ein.
Eine Begleittherapie mit Medikamenten wird ebenfalls beschrieben. Hierbei handelt es sich um die Abgabe von Psychopharmaka. Die Autoren legen Wert auf ihre Aussage, dass eine Pharmakotherapie nie an erster Stelle stehe.
Es wird deutlich herausgehoben, dass pathologisches Horten ein hartnäckiges Störungsbild ist, das von Betroffenen und Therapeuten viel Geduld und Mut erfordert. Deshalb soll in der Therapie zuerst an den Verhaltensfertigkeiten, Emotionsregulierung und hilfreichen Kognitionen gearbeitet werden. Erst wenn diese verwendet werden können, soll man an Wegwerf-Aktionen herangehen.
Ein ausführliches Fallbeispiel rundet die Behandlungsausführungen ab.
Nach dem Literaturverzeichnis folgt ein umfangreicher Anhang. Darin sind der Fragebogen zum zwanghaften Horten auf deutsch zu finden, die Hoarding Rating Scale, ebenfalls auf deutsch, eine Vorlage für ein Gedankenprotokoll, Beispiele für Behandlungsvereinbarungen, eine Liste häufiger Denkfallen.
Ganz am Schluss finden sich zwei Karten für die Kurzanleitung für die Exploration sowie das allgemeine Modell des pathologischen Hortens.
Fazit: Für Therapeutinnen und Therapeuten, die bereits mit dem verhaltenstherapeutischen Ansatz arbeiten, ist dieser Behandlungsleitfaden hilfreich.
Ohne Begleitung sind die verschiedenen Interventionen kaum durchzuführen.
Dramatische Situationen wie Räumung durch den Vermieter, Verlassen durch den Partner, Ultimaten von Angehörigen werden gestreift, aber nicht länger ausgeführt.
Es ist klar, dass die Autoren ihre Berufskolleginnen und –kollegen an ihren Erfahrungen und Erkenntnissen teilhaben lassen wollen.
Rez.: Else Mühldorfer